Kommunen entdecken das Erbbaurecht neu
In Hamburg erklärten die rot-grünen Regierungsfraktionen im Juni, dass sie strategisch wichtige städtische Grundstücke wieder vermehrt im Erbbaurecht vergeben wollen. In Leipzig startete bereits im März das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW) zusammen mit der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) ein Modellprojekt: Zwei Grundstücke sollen im Erbbaurecht ausgeschrieben werden, um das innerstädtische kostensparende und kooperative Wohnen zu fördern.
Im Landkreis Erding bei München begann im Februar ein Erbbaurechtsprogramm zur sozialen Eigenheimförderung. Und in Berlin hat die rot-rot-grüne Regierung die verstärkte Nutzung des Erbbaurechts schon 2016 zum Bestandteil ihres Koalitionsvertrags gemacht. Überall in Deutschland setzen Städte und Gemeinden wieder verstärkt auf die Vergabe von Erbbaurechten, anstatt Grundstücke zu verkaufen. Warum das so ist, erklärt der Deutsche Erbbaurechtsverband, den ich an dieser Stelle gerne zu Wort kommen lasse.
Städte und Gemeinden, die Erbbaurechte vergeben, sichern sich dauerhaft ihre Grundstücke und behalten weiterhin einen Einfluss auf deren Nutzung – ohne auf eine gute Rendite verzichten zu müssen. So vergeben das ASW und die LWB in Leipzig nur Erbbaurechte an Baugemeinschaften, die den Wohnraum selbst nutzen wollen. Auch die Berliner Regierung möchte laut Koalitionsvertrag Erbbaurechte ausdrücklich einsetzen, um Nutzungsbindungen langfristig zu sichern.
Der durchschnittliche Kaufpreis für Bauland ist in Deutschland seit 2011 kontinuierlich gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) lag der Kaufwert pro Quadratmeter 2016 bei 127,93 Euro. Gleichzeitig wurde durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie die Kreditvergabe strenger reglementiert. Für viele Interessenten ist es deshalb heute schwer, überhaupt Wohneigentum zu bilden. In dieser Situation kann das Erbbaurecht eine gute Alternative sein. Denn beim Erwerb entfallen die Kosten für das Grundstück. Stattdessen zahlt der Erbbaurechtsnehmer einen jährlichen Erbbauzins an den Eigentümer des Grundstücks. Damit ist das Erbbaurecht insbesondere für Käufer interessant, die über wenig Liquidität verfügen oder ihr Eigenkapital schonen möchten.
In der Vergangenheit lag der jährliche Erbbauzins üblicherweise bei 3 bis 5 Prozent des Grundstückswerts. Dieser Betrag wird allerdings individuell festgelegt und ist insofern verhandelbar. In Anbetracht der niedrigen Hypothekenzinsen vergeben einige Grundstückseigentümer Erbbaurechte aktuell zu günstigeren Konditionen. Die Stadt Hamburg hat beispielsweise den Erbbauzins auf 2,1 Prozent gesenkt. In Berlin sieht der Koalitionsvertrag vor, dass Erbbauzinsen abgesenkt werden können, um förderungswürdige Ziele zu verwirklichen.
Der Deutsche Erbbaurechtsverband wurde 2013 gegründet, um über Erbbaurechte aufzuklären und die Interessen der Erbbaurechtsausgeber zu vertreten. „Wir freuen uns, dass die deutschen Städte und Gemeinden das Erbbaurecht für sich wiederentdecken“, sagt der Verbandsgeschäftsführer Dr. Matthias Nagel. „Auch wenn es dieses Recht schon seit 1919 gibt, ist es heute so aktuell wie selten. Denn im Erbbaurecht können die Kommunen die dringend benötigten Flächen für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen, ohne ihr Tafelsilber zu verkaufen. Gleichzeitig ist die Schaffung von Wohneigentum – auch im Erbbaurecht – ein wichtiger Baustein, um Altersarmut zu verhindern.“
Mit herzlichen Grüßen aus Stuttgart!
Florian Peter, Redakteur