Flüchtlinge von heute Fachkräfte von morgen
Das Familienunternehmen Wolff & Müller beschäftigt derzeit 22 Geflüchtete. 20 davon sind fest angestellt oder durchlaufen eine Ausbildung, hinzu kommen ein Praktikant und ein Ferienjobber. Ab Januar 2018 starten weitere 15 Flüchtlinge in den Qualifizierungsprogrammen, die das Unternehmen speziell für die Zugewanderten entwickelt hat. Mit diesen Zahlen ist der Mittelständler vielen größeren Unternehmen voraus. Laut dem gemeinnützigen Recherchenetzwerk Correctiv hatten die 30 Konzerne im Deutschen Aktienindex noch vor einem Jahr zusammen nur 125 Flüchtlinge eingestellt.
Auf ein börsennotiertes Unternehmen kommen damit im Schnitt 4,2 beschäftigte Flüchtlinge. Nicht nur gemessen an der Mitarbeiterzahl von knapp 2000 zeigt der Stuttgarter Mittelständler ein überdurchschnittlich großes Engagement. Auch in Baden-Württemberg sticht Wolff & Müller hervor: Aktuellen Medienberichten zufolge beschäftigen 19 der größten Unternehmen in Baden-Württemberg im Schnitt 21,7 Flüchtlinge als Angestellte, Studenten, Azubis oder Teilnehmer von Einstiegsqualifizierungsprogrammen – zusammen nur so viele, wie die Stuttgarter schon haben.
Natürlich handelt Wolff & Müller nicht nur aus reiner Menschlichkeit. Denn in der Baubranche wurde am frühesten deutlich, woran es in Deutschland bereits in naher Zukunft fehlen wird, nämlich an Facharbeitern. Den Deutschen kommt – der demografische Wandel lässt grüßen! – die Jugend abhanden. Und die Jugendlichen, die es noch gibt, streben andere Ausbildungen an, als im Handwerk.
Daraus hat das Unternehmen aus der Landeshauptstadt schon sehr früh die Lehren gezogen. Ähnlich dem Werben um Gastarbeiter beispielsweise aus Italien in den 60er-Jahren wird es bald auch ein Werben um junge und arbeitswillige Flüchtlinge geben. Dass zunächst eine fundierte Ausbildung nebst Deutschkursen notwendig ist, um die Facharbeiterstellen auch zu besetzen, versteht sich von selbst. Und Wolff & Müller handelte bereits entsprechend:
Schon 2015 initiierte das Unternehmen mit dem Jobcenter des Landkreises Ludwigsburg einen Bewerbertag nur für Flüchtlinge. 450 Personen wurden im Vorfeld angeschrieben und eingeladen. 36 Kandidaten überzeugten in den ersten Gesprächen, einer bekam direkt einen Praktikumsplatz, einer eine Ausbildungsstelle. Hans Schmid, Geschäftsführer der Projektentwicklungsgesellschaft D-Quadrat, übernahm die Koordination eines eigens gebildeten Teams bei Wolff & Müller, das wiederum mit externen Partnern aus Bildung und Verwaltung kooperierte. Mit diesen Partnern legte das Bauunternehmen zwei Qualifizierungsprogramme auf:
Das viermonatige Qualifizierungsprogramm „Bau und Sprache“ bereitet die Flüchtlinge auf eine Anstellung als Bauhelfer vor. Das Einstiegsqualifizierungspraktikum ist ein sogenanntes „nulltes“ Ausbildungsjahr. Es macht Jugendliche innerhalb von zwölf Monaten sprachlich und fachlich fit für eine Ausbildung. Während viele Konzerne wie Autohersteller oder Maschinenbauer über Automatisierung – Stichwort: Roboter! – ihre Facharbeiterprobleme zumindest teilweise in den Griff bekommen können, deckt ein
Roboter nicht das Dach, trägt den Innenputz auf, installiert die Heizung und Elektrik, setzt Fenster und Türen ein, verlegt Böden. Wenn das Haus überhaupt hochgemauert wird. Denn dazu gehören in allen Gewerken ausgebildete Facharbeiter.
Es müsste, so meine klare Meinung, viel mehr Unternehmen geben wie Wolff & Müller, die eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Fachkräftemangel spielen. Und eine Politik, die das Engagement der Firmen mit bürokratischen Hürden und unsinnigen Gesetzen nicht ausbremst. Aber Deutschland hat ja nun gewählt …
Mit herzlichen Grüßen aus Stuttgart!
Florian Peter, Redakteur