Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur gilt im Allgemeinen als ein wichtiger Faktor für die regionale Entwicklung, sei es für die Ansiedlung und Standortsicherung von Unternehmen, die Modernisierung öffentlicher Verwaltungen oder die individuelle Wohnortwahl. Außerdem sehen gerade Kommunen und regionale Akteure die Notwendigkeit, die Versorgung der ländlichen Räume mit verschiedenen Web-basierten Dienstleistungsangeboten zu sichern. Beispiele für solche diskutierten und teilweise bereits erprobten Anwendungen reichen vom Web-gestützten Bedienservice des öffentlichen Personennahverkehrs über das E-Government und E-Learning bis zum E-Health. Zunehmend wird auch die Möglichkeit von E-Work diskutiert.
Ambitioniertes Ziel
Aus diesem Grund wurde im Jahr 2015 Moro-Digital ins Leben gerufen: In dem vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR/Sitz in Bonn) betreuten Modellvorhaben der Raumordnung beschreiten sieben strukturschwache Regionen aus dem ländlichen Raum innovative Wege des Breitbandausbaus. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, den Ausbau des schnellen Internet zu fördern und vorhandene unternehmerische, kommunale oder zivilgesellschaftliche Potenziale für die regionale Entwicklung zu heben.
Das Modellvorhaben fügt sich ein in die Strategie der Bundesregierung, die die Breitbandversorgung als eine wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge sieht. Entsprechend hat sie sich bis 2018 das Ziel einer flächendeckenden Versorgung aller Haushalte in der Bundesrepublik mit 50 Megabit pro Sekunde gesetzt. Diese Vorgabe geht deutlich über EU-Ziele hinaus, nach denen bis 2020 für alle Europäer mindestens 30 Megabit pro Sekunde angestrebt werden.
Ländliche Regionen langsamer
Noch viele Regionen waren Ende 2015 weit von den angestrebten 50 Megabit pro Sekunde entfernt, wie Auswertungen des BBSR zeigen. Zwar konnten mehr als 70 Prozent aller Haushalte mit leistungsfähigem Breitband versorgt werden. Das sind jedoch hauptsächlich städtische Haushalte. Weil private Unternehmen in dünnbesiedelten und strukturschwachen Regionen mit dem Breitbandausbau nur unzureichende Gewinne erwirtschaften können, investieren sie dort auch weniger in den Ausbau als in den Verdichtungsregionen. Das spiegelt sich in den folgenden Zahlen wider:
- In städtischen Zentren konnten 78 Prozent der Haushalte mit 50 Megabit pro Sekunde versorgt werden, in ländlichen Regionen nur 53 Prozent.
- Strukturstärke und -schwäche sind wichtige Rahmenbedingungen des Breitbandausbaus. So liegen die Versorgungsgrade der Haushalte mit 50 Megabit pro Sekunde in Großstädten bei 88 Prozent, in den großen Kleinstädten strukturstarker ländlicher Räume bei 69 Prozent und in den Landgemeinden strukturschwacher ländlicher Räume bei nicht einmal 20 Prozent.
- Rund zwölf Millionen Menschen leben in Kommunen, in denen nur für ein Viertel der Haushalte 50 Megabit pro Sekunde nutzbar sind.
Im Zeitraum 2013 bis 2015 konnten stark unterversorgte Regionen wie beispielsweise Donau-Wald (im Osten Bayerns an der Grenze zu Böhmen/Tschechien und Oberösterreich), Westmecklenburg oder Nordhessen ihre Ausbaudefizite kaum verringern. Hier setzen die neuen Förderangebote des Bunds und einzelner Länder an, die den Ausbau der Breitbandversorgung zum Ziel haben und die Kommunen unterstützen.
Vorbild Württemberg
Die Ansätze, wie Kommunen und Kreise den Ausbau in Eigenregie leisten können, sind noch nicht sehr verbreitet. Ein Beispiel dafür, wie eine über Stadt- und Kreisgrenzen hinausgehende Kooperation mehr Haushalte mit dem schnellen Internet versorgen kann, ist das vom BBSR unterstützte Modellvorhaben „Komm-Pakt-Net“ in Baden-Württemberg.
Komm-Pakt-Net ist als selbstständige gemeinsame Kommunalanstalt des öffentlichen Rechts organisiert. Die württembergischen Kreise Alb-Donau, Bodensee, Biberach, Freudenstadt, Ostalb, Ravensburg, Reutlingen und Zollernalb und 231 Städte und Gemeinden gründeten Komm-Pakt-Net im November 2015.
In der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass die Kreise Baden-Württembergs in den meisten Fällen zu kleinteilig sind und auf Kreise ausgelegte Infrastrukturen für Telekommunikationsunternehmen nur wenig profitabel betrieben werden können. Zudem fehlt den Kommunen vor Ort häufig das Detailwissen über die Netzinfrastruktur sowie die notwendigen technischen und rechtlichen Kenntnisse. Das ändert Komm-Pakt-Net: Der Zusammenschluss über die Kreisgrenzen hinweg verspricht nun deutliche Effizienzgewinne. Eine leistungsfähige Geschäftsstelle, die im Alb-Donau-Kreis (Ulm) angesiedelt ist, managt den Ausbau und sorgt für den Wissenstransfer unter den Partnern. Zu ihren Aufgaben gehört es zu beraten, Ausschreibungen und Musterverträge vorzubereiten und die Umsetzung zu begleiten. Ausbauplanung, Finanzierung und auch die Öffentlichkeitsarbeit folgen einem einheitlichen Rahmen, wobei die lokalen Besonderheiten der beteiligten Kommunen erhalten bleiben.
Modellcharakter
Das Vorhaben hat Modellcharakter, weil Kreise und Gemeinden erstmals in Form eines interkommunalen Zusammenschlusses den Breitbandausbau in die Hand nehmen. Ansätze, die von Komm-Pakt-Net im Rahmen von Morodigital erarbeitet und getestet werden, stehen im Anschluss auch anderen Gemeinden zur Verfügung, die einen interkommunalen Verbund mit effizientem Management anstreben.
Das BBSR unterstützt das Modellvorhaben mit 80.000 Euro und begleitet es fachlich-wissenschaftlich. Dazu gehört auch, den Austausch der insgesamt sieben Modellvorhaben von Morodigital zu organisieren. Weitere Informationen zu diesem und weiteren vom BBSR unterstützten Projekten finden sich im Internet.
www.bbsr.bund.de
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[tab title=“Der Autor“]Harald Herrmann
Direktor und Professor des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
Geboren 1953 im hessischen Schlierbach, studierte Herrmann Rechtswissenschaften in Mainz und war nach seinem Referendariat vier Jahre lang als Rechtsberater und -dozent der Bundeswehr tätig. 1986 Wechsel in die Verwaltungs- und Rechtsabteilung des Bundesverteidigungsministeriums. Von 1991 bis 1997 arbeitete er im Bundesbauministerium unter anderem als persönlicher Referent von Klaus Töpfer und als Leiter des Referats Bauwirtschaft. Von September 1998 bis November 2011 leitete er die Zentralabteilung des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung. Am 8. November 2011 übernahm er die Leitung des BBSR in Bonn. Am 4. Juli 2012 wurde er zum Direktor und Professor ernannt. Harald Herrmann ist verheiratet, Vater von drei Söhnen und einer Tochter.
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