Der Kabelanschluss ist für Millionen Haushalte eine Selbstverständlichkeit – einfach, weil er funktioniert. Seine typische Zuverlässigkeit und Stabilität macht das Kabel auch zum Favoriten der Wohnungswirtschaft. Aber was passiert, wenn etwas passiert – etwa eine Baggerschaufel versehentlich eine „Kabel-Hauptschlagader“ trifft? Mit einer aufwendigen Netzüberwachung und speziell trainierten Einsatztrupps ist Primacom, das im Sommer mit Tele Columbus zusammengegangen ist, auch auf bizarre Zwischenfälle vorbereitet: Selbst wenn explodierende Brücken und entfesselte Schwarzwurzel-Erntemaschinen zuschlagen, ist das Primacom-Technikteam rasch zur Stelle.
Netzüberwachung und IT-Sicherheit sind das A und O
Der Arbeitsplatz von Alexander Bechler erinnert an den Kommandostand des Raumschiffs Enterprise: Eine Wand aus dutzenden Bildschirmen zeigt dem 37-jährigen Ingenieur und Leiter des Network Operation Center des Kabelnetzbetreibers Primacom in Leipzig, ob die TV-Signale, die Telefonverbindungen und die Internet-Datenströme für 1,2 Millionen Haushalte in ganz Deutschland ungehindert fließen.
Die Monitorwand wird rund um die Uhr von mehreren Mitarbeitern aufmerksam beobachtet. Bechler und seine Kollegen wissen: Zuverlässigkeit ist das Markenzeichen des Kabelanschlusses. Deshalb entwickeln sie die Netzüberwachung ständig weiter. Derzeit bereiten sie die Implementierung einer Technologie vor, die den möglichen Ausfall eines Bauteils im Netz quasi vorhersehen kann. So können künftig Komponenten ausgetauscht werden, bevor es zu einer Störung kommt.
Das „Gehirn“ des Primacom-Kabelnetzes ist der Serverraum. Er befindet sich unterirdisch an einem geheimen Ort und wird nach militärischen Sicherheitsstandards geschützt – und vor allem von Jens Kusch, der als Bereichsleiter IT und Central Systems das Thema IT-Sicherheit bei Primacom verantwortet. Beim Thema Sicherheit macht Kusch keine Kompromisse, weswegen er von Kollegen schon respektvoll als „personifizierte Firewall“ beschrieben wurde.
Zuverlässigkeit ist auch für die Wohnungswirtschaft der Hauptgrund, auf den Kabelanschluss zu setzen: „Wild montierte Satellitenschüsseln verschandeln nicht nur die Fassade, sondern sind auch witterungsanfällig“ erklärt Steffen Foede, Vorstand der Leipziger Wohnungsgenossenschaft Unitas, „das Kabel verspricht dagegen die höchste Versorgungssicherheit und bietet neben dem Fernsehempfang, Internet und Telefon auch eine Kunden-Hotline. Einen Satelliten kann man halt nicht ohne Weiteres anrufen.“
Einsatzbeispiel: Ausfall des Kabelnetzes
„Das Kabel ist natürlich schon allein deshalb sicherer, weil es geschützt unter der Erde verlegt ist“, sagt Alexander Bechler, „trotzdem kommt es immer wieder mal vor, dass bei Tiefbauarbeiten eines unserer Kabel beschädigt oder durchtrennt wird. Auch für diesen Fall sind wir vorbereitet.“ Konkret hat Primacom entlang seines Netzes speziell trainierte Techniker stationiert, die im Fall der Fälle schnell zur Stelle sind. In ihren Einsatzfahrzeugen führen sie Messinstrumente und Spezialwerkzeug mit, auch für die heikle Operation an einem Glasfaserkabel. Die Lichtwellenleiter bilden die „Hauptschlagadern“ des Kabelnetzes – mit zig- oder sogar hunderttausenden angeschlossenen Haushalten.
Auch für solche Szenarien ist Primacom vorbereitet: „Wir stellen erst einmal sicher, dass das Fernsehbild wieder läuft“, erläutert Primacom-Techniker Sven Krüger (29), „für solche Fälle wird mit einer mobilen Kopfstelle der Empfang über eine Satellitenstrecke überbrückt, während gleichzeitig das Kabel repariert wird.“ Diese „mobile Kopfstelle“ ist ein mit Technik vollgestopfter Lieferwagen mit einer metergroßen Antenne auf dem Dach, wie sie auch Ü-Wagen von Fernsehteams nutzen. Mit Schaudern erinnert sich Krüger an die Situation, als am Tag eines DFB-Pokalfinales das Kabelnetz in Schwerin ausfiel: „Solche Einsätze sind Adrenalin pur. Wir haben es jedoch noch vor Anpfiff des Spiels geschafft, das Kabel zu reparieren.“
Beschädigt wurde das Kabel in Schwerin nicht wie sonst durch einen Bagger, sondern durch eine Explosion: „Bei Brückensprengarbeiten wurde unser Kabel versehentlich gleich mit in die Luft gejagt.“ Bizarr war auch ein Vorfall in Heitersheim im Breisgau: Hier zog eine Schwarzwurzel-Erntemaschine anstatt des Edelgemüses ein schwarzes Fernsehkabel aus dem Boden – in Farbe und Durchmesser durchaus leicht verwechselbare Bodenschätze.
Die Baggerschaufel – der natürliche Feind des Kabels
Abgesehen von solchen kuriosen Zwischenfällen bleibt die Baggerschaufel der natürliche Feind des Kabels. Warum ist das so? Die Verlegetiefen der üblichen Versorgungsleitungen sind nach DIN normiert, können je nach den örtlichen Gegebenheiten jedoch höchst unterschiedlich ausfallen. Üblicherweise liegen die Leitungen der Kabel- und Telefon-/DSL-Anbieter meist zuoberst in einer Tiefe von zirka 60 bis 80 Zentimetern. Deshalb fallen sie dem Bagger zuerst zum Opfer, falls er daneben greift. Die Leitungen für Gas, Strom, Frischwasser und Fernwärme liegen tiefer; Abwasserleitungen ganz unten.
Glasfaserleitungen werden meist mit einem „Trassenwarnband“ versehen. Das leuchtend gelbe Band, das etwas oberhalb der Glasfaser eingegraben wird, soll bei Aushubarbeiten dem Baggerführer frühzeitig signalisieren, vorsichtig zu sein.
Dennoch ist auch der geschickteste Baggerführer nicht vor Havarien gefeit: „Die Verlegepläne sind nicht immer 100-prozentig genau; manchmal sind sie handschriftlich erstellt und durch zigfaches Fotokopieren schwer zu entziffern“, erläutert der Baggerführer Andreas Dutschke vom Leipziger Bauunternehmen F&G Fernmeldemontagen. Bauleiter Wolfgang Plötz vom Hamburger Tiefbauunternehmen Dankers Bohrtechnik bestätigt: „In der wilden Nachwendezeit wurden im Osten Deutschlands unter unglaublichem Zeitdruck neue Kabel verlegt. Da ging Tempo häufig vor Exaktheit. Nicht selten wurden in den völlig überforderten Kommunen die Pläne erst nachträglich gezeichnet. Ungenaue Pläne gibt es aber durchaus auch in Hamburg“, sagt der Bauleiter.
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