Die Wälder unserer Erde sind wichtige Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen, liefern den bedeutenden nachwachsenden Rohstoff Holz und spielen nicht zuletzt eine wichtige Rolle als Klimaregulatoren. Daher ist es von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie Wälder wachsen beziehungsweise sich ihr Wachstum im Lauf der Zeit verändert.
Der Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München untersucht schwerpunktmäßig die Gesetzmäßigkeiten des Wachstums von Bäumen, Waldbeständen und ganzen Waldlandschaften. Insbesondere geht es um das Verständnis, wie das Baumwachstum durch die Umweltgrößen Boden und Klima, vor allem aber auch durch inner- und zwischenartliche Konkurrenz beeinflusst wird. Zur Beantwortung solcher Fragestellungen sind langfristige Beobachtungen erforderlich, da Bäume einen langen Lebenszyklus aufweisen und sich ihr Wachstum im Lauf ihrer Entwicklung verändert.
25 Hektar Waldbeobachtungsfläche
Im Rahmen einer Kooperation des Lehrstuhls für Waldwachstumskunde mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Oberpfaffenhofen, und der städtischen Forstverwaltung Traunstein wurde eine 25 Hektar (250.000 Quadratmeter) große Versuchsfläche im Bereich des Traunsteiner Stadtwalds angelegt, deren erste Aufnahme im Sommer 2016 abschlossen werden konnte.
Diese neue Monitoring-Fläche wird Teil eines globalen Waldbeobachtungs-Netzwerks, das durch das Smithsonian Tropical Research Institute mit Sitz in Washington/ USA organisiert wird. Durch die Einbindung in dieses Netzwerk erlangt die Versuchsfläche auch internationale Sichtbarkeit. Auf allen in diesem Netzwerk organisierten Waldbeobachtungsflächen werden ökologische Entwicklungsprozesse in, durch menschliche Eingriffe unbeeinflussten und beeinflussten Wäldern mit exaktem, räumlichen Bezug untersucht. Voraussetzung solcher Untersuchungen ist eine permanente Markierung jedes einzelnen Baums, um ihn bei wiederholten Messungen eindeutig im Gelände erkennen zu können. Üblicherweise werden hierzu Farbmarkierungen oder Plaketten aus Metall beziehungsweise Kunststoff verwendet. Farbmarkierungen weisen jedoch Nachteile hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit, des Zeitaufwands beim Anbringen sowie der Witterungsbeständigkeit auf. Metall- und Kunststoffplaketten wären hierbei deutlich vorteilhafter, können jedoch leicht im Rahmen regulärer Holz – erntemaßnahmen abgeschlagen oder auch von Spaziergängern sowie Tieren entfernt werden.
RFID-Technologie bietet zahlreiche Vorteile
Aufgrund der Nachteile konventioneller Kennzeichnungsmöglichkeiten in diesem Bereich wurde bei dieser Versuchsanlage die Radiofrequenz-Identifikation (RFID) eingesetzt. RFID ermöglicht den kontaktlosen Datenaustausch zwischen einem RFID-Transponder und einem RFID-Schreib-Lese-Gerät. Für die Datenübertragung erzeugt das Schreib-Lese-Gerät ein elektromagnetisches Feld, das den passiven Transponder mit Energie versorgt. Dies ist notwendig für den Datenaustausch. Informationen werden vom Schreib-Lese-Gerät an den Chip gesendet beziehungsweise im Chip hinterlegte Daten zurück an das RFID-Schreib-Lese-Gerät übertragen. Weil passive RFID-Transponder keine eigene Stromquelle besitzen, sind diese quasi wartungsfrei. Die Lese- beziehungsweise Beschreibbarkeit und die mögliche Lesedistanz hängen dabei von verschiedenen Faktoren ab. Die wichtigsten hierbei sind: Holzart, Holzfeuchte, Bauart und Frequenzbereich des RFID-Transponders sowie die Leistungsfähigkeit des RFID-Schreib-Lese-Geräts. Auf Basis dieser Vorteile ergeben sich durch den Einsatz von RFID neue Möglichkeiten der dauerhaften Markierung von Bäumen, die mit einer weitgehenden Unabhängigkeit von der Witterung sowie einer hohen Lebensdauer verbunden sind. Nachbesserungen werden so auf ein Minimum reduziert.
Für das Projekt entwickelte die Smart-TEC GmbH & Co. KG aus Oberhaching bei München zwei spezielle RFID-Transponder zur Kennzeichnung von verschiedenen Baumtypen. Beide RFID-Transponder entsprechen dem UHF-Standard EPC Class 1 Gen2 (ISO18000-6C) und haben einen Arbeitstemperaturbereich von minus 40 bis plus 85 Grad Celsius. Für Bäume mit einem Stammdurchmesser von größer 10 Zentimetern wurde Transponder-Typ 1 eingesetzt. Hierbei handelt es sich um einen miniaturisierten Smart-Dome-Freestyle-UHF, der eine Größe von nur 4,8 mal 4,8 mal 3 Millimetern aufweist. Dieser ist aus einem speziellen, sehr robusten Keramik-Material gefertigt. Durch den kontaktlosen Datenaustausch und die sehr kleine Baugröße kann der RFID-Transponder direkt im Holzkörper der Bäume eingebracht werden. Hierdurch werden die zuvor beschriebenen Nachteile außen angebrachter Plaketten verhindert. Der RFID-Transponder wird in ein zirka 1 Zentimeter tiefes Bohrloch im Stamm eingebracht, das anschließend mit einem Baumwachs wieder verschlossen wird. Dieser Eingriff ist für den Baum wenig schädlich und hat nahezu keine kurz- oder langfristigen Auswirkungen auf seine Gesundheit. In den Jahren nach dem Eingriff wird das Loch regelmäßig überwachsen, wobei die Position des RFID-Transponders unverändert bleibt. Bei Testläufen im Vorfeld sowie im realen Betrieb wurden die RFID-Transponder vom Typ 1 durch bis zu 10 Zentimeter dickes Holz ausgelesen und beschrieben.
Langfristige und dezente Markierung
Für Bäume mit einem Stammdurchmesser von kleiner 10 Zentimetern wurde Transponder-Typ 2 verwendet. Bei Typ 2 handelt es sich um einen sogenannten Smart-Key-UHF, der aus einem besonders witterungsbeständigen und schlagfesten PPS-Kunststoff hergestellt wird. Der Smart-Key-UHF kann über eine Montageöse direkt über einen Kabelbinder einfach und sicher am Baumstamm befestigt werden. Die Schreib-Lese-Distanz mit einem mobilen RFID-Schreib-Lese-Gerät beträgt hier zirka 30 Zentimeter, womit eine Einzelerfassung von Bäumen auch in dichten Baumbeständen kein Problem darstellt.
Die RFID-Technologie ermöglicht somit nicht nur eine langfristige, sichere und dezente Markierung der Bäume, auch der Datenfluss kann bei zukünftigen Messungen optimiert werden, da die Identifikation der Bäume auf digitalem Weg erfolgt. Künftig werden die Daten dieser Versuchsfläche in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen, zum Beispiel zur Dynamik von Entwicklungsprozessen auf unterschiedlichen Flächengrößen, verwendet. Darüber hinaus wird diese Fläche auch dafür dienen, flugzeug- und satellitengestützte Fernerkundungsverfahren zur Walderfassung zu verbessern beziehungsweise neue Ansätze hierfür zu entwickeln. Die effiziente und dauerhafte Markierung der Einzelbäume per RFID-Transponder ist dabei die entscheidende Voraussetzung, um Messdaten schnell und zuverlässig dem richtigen Baum zuzuordnen. In dieser Hinsicht dürften die Erfahrungen der kommenden Jahre zukunftsweisend sein.
Marcel Rüdiger
Vertriebsleiter bei der Firma Smart-TEC GmbH & Co. KG