Aus unserer unmittelbaren Umgebung gelangen winzige Plastikpartikel ins Meer – und über die Nahrungskette zu uns zurück. weltweit verteilt, belastet Mikroplastik Luft, Boden und Wasser. Bei der Suche nach dessen Herkunft gerät Reifenabrieb in den Fokus. Und der Regenabfluss von Straßen bietet die Möglichkeit, einiges davon zurückzuhalten.
Ohne es zu merken, nimmt jeder von uns pro Woche bis zu 5 Gramm Mikroplastik mit der Nahrung zu sich. Das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte. Diese Aussage der weltweit tätigen Umweltstiftung World Wide Fund For Nature (WWF) schockiert, auch wenn die ermittelten Werte von Person zu Person variieren, abhängig von Regionen und konsumierten Produkten. Im Auftrag des WWF hatte die University of Newcastle/Australien entsprechende Berechnungen durchgeführt, nach Auswertung von mehr als 50 Studien unterschiedlicher Herkunft, und im Juni 2019 veröffentlicht.
Die Plastikkrise ist ein globales Problem, das neben Umwelt und Natur uns Menschen direkt betrifft. Inwieweit die Aufnahme von Mikroplastik schädlich für die Gesundheit ist, ist derzeit noch nicht erforscht. Ob und welche Wirkung Kleinstpartikel aus Plastik, sogenanntes Nanoplastik, entfalten, wenn wir diese aufnehmen, ist bislang nicht bekannt. Klar ist jedoch, dass Mikroplastikpartikel Chemikalien enthalten.
Eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen (Umsicht) vom Juni 2018 hat den Abrieb von Autoreifen als den größten Verursacher von freigesetztem primären Mikroplastik identifiziert. Allein der Abrieb von Lkw-, Pkw-, Motorrad- und Fahrrad- reifen macht demnach mehr als 42 Prozent der gesamten Mikroplastik-Emissionen in Deutschland aus. Den Abrieb von Schuhsohlen, Fahrbahnmarkierungen und Asphalt hinzugerechnet, ergeben sich zirka 57 Prozent, die überwiegend auf Verkehrsflächen entstehen.
Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass sie mit den von ihnen ausgewerteten 51 Emissionsquellen nur drei Viertel der freigesetzten Menge erfasst haben. Hochgerechnet bedeutet das, dass bisher in Deutschland pro Einwohner jedes Jahr 4 Kilogramm (0,004 Tonnen im Jahr) Mikroplastik dazukommen. Das entspricht insgesamt 330.000 Tonnen/Jahr, Tendenz steigend – Anlass für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), das Verbundprojekt Tyre Wear Mapping zu fördern, bei dem sogenannte „Hotspot-Karten“ als Grundlage für künftige Maßnahmen entwickelt werden. Dr.-Ingenieur Ilka Gehrke, Abteilungsleiterin Photonik und Umwelt bei Fraunhofer-Umsicht in Oberhausen, möchte mit ihren Forschungspartnern ein digitales Planungs- und Entscheidungsinstrument entwickeln, das Aussagen zu Verteilung, Ausbreitung und Quantifizierung von Reifenabrieb ermöglicht. Dadurch könnten auf einer sachlichen Grundlage regulatorische Maßnahmen wie Tempolimit oder bauliche Maßnahmen, zum Beispiel Filteranlagen an Straßenabläufen, gezielt und schnell ergriffen werden.
M.Eng. Thorsten Schmitz und Kollegen haben im Rahmen des vom Land Nordrhein-Westfalen geförderten Forschungsprojekts Rewafil am Institut für Infrastruktur, Wasser, Ressourcen, Umwelt (Iwaru) der FH Münster die Sedimentierbarkeit von Straßenkehricht untersucht. Das ist von besonderem Interesse, da in Siedlungsgebieten das Mikroplastik aus dem Straßenverkehr überwiegend mit Regenabflüssen abgespült wird. Bei kombiniertem Reifen- und Straßenabrieb (englisch: tyre and road wear particle; TRWP) gilt eine Dichte von 2 ramm je Kubikzentimeter als wahrscheinlich. Um diese zu eliminieren, ist die Sedimentation gut geeignet. In ihren weiteren Überlegungen gehen die Verfasser der Iwaru-Studie allerdings von reinem Reifenabrieb (englisch: tyre wear particle; TWP) aus. Während bei Mischkanalisation 95 Prozent oder mehr Rückhalt der Partikel in der Kläranlage wissenschaftlich belegt sind, halten sie bei Trennkanalisation die vorgeschriebene Behandlung durch Sedimentation in Regenklärbecken für unzureichend. Das liege vor allem an der geringen Dichte, die Standardreifengummi mit 1,1 Gramm je Kubikzentimeter besitze, falls er ohne Verbindung zu mineralischen Partikeln vorkommt. Entgegen den Empfehlungen in den aktuellen Regeln der Technik müsse die Oberflächenbeschickung auf 2 Meter/Stunde reduziert werden, was immens große unterirdische Anlagen erfordern würde. Damit könnte aber gerade einmal die Fraktion der Partikel größer 80 μm (0,08 Millimeter), das entspricht nur etwa 10 Prozent des mitgeführten Reifenabriebs, eliminiert werden. Der Aufwand stünde in keinem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen.
Für den Anteil kleiner 80 μm, also 90 Prozent der Menge an reinem Reifenabrieb, sei ein Rückhalt durch Sedimentation in Regenklärbecken nicht zu erwarten. Und für eine wirkungsvolle Flotation, das Aufschwimmen innerhalb der unterirdischen Becken, müssten die TWP-Abriebteilchen statt 1,1 Gramm je Kubikzentimeter weniger als 1 Gramm/Kubikzentimter, also eine geringere Dichte als Wasser haben. Hinzu kommt, dass die TWP im Durchschnitt nur eine Größe von rund 20 μm (0,02 Millimeter) haben. Und die kleinsten unter ihnen nähern sich der Molekularbewegung.
Bei ihrer Entstehung spielt unter anderem die Fahrzeuggeschwindigkeit eine Rolle. Schon 1974 wurde in den USA festgestellt: Je höher das gefahrene Tempo, desto kleiner die Partikel. Für die Fraktion 0 bis 20 μm haben die Forscher am Iwaru allerdings durch Filter Erfolge erzielt: So gelang es, mit einer durchströmten Granulat-Schüttung von 15 Zentimetern immerhin 42 Prozent des sehr feinen Mikroplastik-Materials zurückzuhalten. Ihre Empfehlung für Filter verbinden die Autoren mit einer Warnung: Je höher der Rückhalt von Reifenabrieb in einem Filter, desto mehr Betriebsaufwand für Wartung sei erforderlich.
Und sie empfehlen nebenbei noch eine intensivere Straßenreinigung, um vorsorglich den Eintrag in die Straßenabflüsse zu minimieren. Ungeachtet der erhofften Weiterentwicklung von Kunststoffen hin zu naturverträglichem Material werden in den kommenden Jahrzehnten große Anstrengungen notwendig sein, um die Hauptemissionspfade von Mikroplastik besser wahrzunehmen und die Schadstoffe möglichst nahe an ihrer Entstehung zu fassen. Das Ziel muss sein, die weitere Verbreitung in Richtung Luft, Boden und aquatische Ökosysteme zu reduzieren. Vorsorgliche Straßenreinigung in verkehrsarmen Zeiten an den Hotspot-Stellen würde einen Teil der Partikel entfernen, bevor sie verwirbelt und abgeschwemmt werden.
Aus Gründen der Verkehrssicherheit geschieht das auf den Start- und Landebahnen der großen Flughäfen jede Nacht. Regulatorisch vorsorgend wären unter anderem Geschwindigkeitsbeschränkungen für Fahrzeuge, um weniger der ganz kleinen, schwer zu fassenden Partikel entstehen zu lassen.
Zur Reinigung von Straßenabflüssen wird zu prüfen sein, ob bestehende und neu zu bauende Sedimentationsanlagen um geeignete Filter ergänzt werden sollten, bevor deren Abläufe in Oberflächengewässern münden. Das gilt entsprechend für Versickerungsanlagen, zum Schutz des Bodens und des Grundwassers. Und selbst wenn Kläranlagen, wie beschrieben, 95 Prozent des Reifenabriebs im Klärschlamm zurückhalten, ist ihr gesamter Wirkungsgrad zum Schutz nachfolgender Gewässer nicht optimal. Außerdem, sofern der Klärschlamm auf Böden, insbesondere der Landwirtschaft, ausgebracht wird, gelangt das Mikroplastik auf ganz kurzem Weg in unsere Nahrungskette. Dann ist vielleicht die erwähnte WWF-Studie in Deutschland schon überholt, und wir konsumieren wöchentlich bald die Plastikmenge von zwei Kreditkarten? Bleibt zu überlegen, ob zusätzlich zur Straßenentwässerung im Trennsystem die Abflüsse Richtung Mischkanal (im Zulauf solcher Kläranlagen, die noch Klärschlamm an Landwirte abgeben dürfen) mit geeigneten Filtern ausgestattet werden müssen.
„Schwimmende Partikel mit geringerem Durchmesser als 100 μm (0,1 Millimeter) oder mit einer Dichte nahe an 1 Gramm/Kubikzentimeter kann man nicht mehr mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand durch mechanische Verfahren aus dem Regenwasser entfernen“, sagt Stephan Klemens, EntwickLamellenklärer lungsleiter beim Hersteller Mall GmbH. „Hier ist die Filtration das wirtschaftlichere und sicherere Mittel.“ Er empfiehlt das Verfahren Via-Plus für die Behandlung vor Versickerung und vor Ableitung in Oberflächengewässer.
Via-Plus-Anlagen werden horizontal durchflossen und haben einen eigenen Sedimentationsraum vor dem Filter- und Adsorptionselement. Sie sind speziell auf den Rückhalt von Schwermetallen, abfiltrierbaren Stoffen und Mineralölkohlenwasserstoffen ausgelegt, sind vom Deutschen Institut für Bautechnik auf Leistung und Umweltverträglichkeit geprüft und haben eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für die direkte Versickerung von Regenwasserablauf aus stark verschmutzten Verkehrsflächen.
Vorgaben durch Gesetze oder Verwaltungsvorschriften der Bundesländer für Reinigungsleistung und Wartungsintervall in Bezug auf Reifenabrieb gibt es noch nicht. Je nach spezifischer Flächenbelastung muss das richtige Intervall im Einzelfall gefunden werden. Mall bieten neben den Behandlungsanlagen auch Inspektion und Wartung als Dienstleistung an. Die Bereiche, in denen besonders viel Reifenabrieb entsteht, sind leicht zu identifizieren:
-Kreisverkehre, Ampelbereiche und Beschleunigungsstreifen, denn wo gebremst, angefahren und beschleunigt wird oder wo enge Radien gefahren werden, ist der Abrieb von Reifen besonders intensiv. Bei der hier zu erwartenden hohen Mikroplastik-Belastung im Abwasser empfiehlt sich eine Kombination aus den Verfahren Sedimentation, Flotation und Filtration mit den Mall-Komponenten Via-Tub und Via-Plus.
-Parkplätze von Einkaufszentren, Speditionen, Industrieareale. Wo nicht schnell gefahren, aber rangiert wird, entstehen weniger ganz feine Partikel. Doch fallen auf diesen Flächen in verstärktem Maß Kupfer und Zink durch abtropfendes Wasser von Karosserien an. Die aktuellen technischen Regeln empfehlen in solchen Situationen eine Filtrationsstufe mit speziell dafür geeignetem Adsorptionsmaterial, zum Beispiel die Mall-Anlage Via-Plus.
Mikroplastik auf Verkehrsflächen, so das Fazit, entsteht in der Hauptsache durch Abrieb von Fahrbahnen sowie Reifen und gelangt fein verteilt in Luft, Boden und Oberflächengewässer. Das Behandeln von Straßenabflüssen, bevor das Wasser diese Schadstoffe diffus verteilt, verringert den Eintrag in die Natur. Die nötigen Verfahren sind bekannt, gesetzliche Vorgaben speziell zur wirksamen Elimination von Mikroplastik fehlen noch. Sedimentationsanlagen sind für die kanalisierte Straßenentwässerung Standard, je nach Bundesland in unterschiedlicher Ausführung. Sie können jedoch wenig des reinen Reifenabriebs TWP, falls dieser unabhängig vom Straßenabrieb in der Umwelt vorkommt, aus dem Wasser entfernen und sind deshalb als alleinige Maßnahme aus heutiger Sicht nicht zielführend. Für Partikel kleiner als 100 μm (dabei ist fast der gesamte Reifenabrieb TWP), sind technische Filter erforderlich. Solche Filter mit adsorbierendem Material sind besonders wirkungsvoll, sofern zuvor eine Sedimentation mineralischer und gemischter Partikel stattgefunden hat. Hilfreich ist, wenn die Wartungsintervalle so rechtzeitig erfolgen, dass die Filter funktionstüchtig bleiben. Welcher Typ von Sedimentationsanlage mit welchem Typ von Filter kombiniert wird, hängt ab sowohl von der spezifischen Flächenbelastung am Entstehungsort der Schadstoffe als auch von der Zumutbarkeit für Boden beziehungsweise Gewässer, in die nach Behandlung eingeleitet wird.
Klaus W. König
Kennwort: Mall
Fotos/Grafiken: Fraunhofer-Umsicht (3); König; Mall (8)