Städte stehen vor dem Logistik-Kollaps
Trotz vermehrtem Homeoffice sind die Straßen in Deutschlands Großstädten voll wie zu Vor-Corona-Zeiten. Dass die Menschen aus Angst vor Ansteckung gerade öffentliche Verkehrsmittel meiden und vermehrt ins Auto steigen, macht dabei nicht den entscheidenden Unterschied. Es ist der boomende Online-Handel. Und mit ihm die Lieferlogistik. Die Umsätze der Paketdienste haben pandemiebedingt sämtliche Rekorde gebrochen.
Doch auch wenn sich die Corona-Krise wieder entspannt, wird der Online-Handel weiter florieren. Anbieter und Marktplätze profilieren sich durch immer schnellere und punktgenauere Zustellung. Da es unter den Paketdienstleistern bisher wenig Kooperationen gibt, behindern die unterschiedlichsten Flotten die Straßen und stoßen Abgase aus. Die zunehmenden Lieferdienste für Lebensmittel und Getränke machen die Verkehrslage noch angespannter. Dazu kommen die Lagerkapazitäten in den Städten und im Umland, die aufgrund ihrer Erdgeschosslage große Grünflächen versiegeln.
„Wenn die Metropolen ihre innerstädtische Logistik jetzt nicht regulieren, hat das langfristige Folgen für ihre Klimabilanz“, warnt Marcus Herrmann, CEO Europe Central des Planungs- und Beratungsunternehmens Arcadis. „Zudem verpassen sie die Chance, die gesamte City-Mobilität nachhaltig und zukunftsfähig aufzustellen.“ Zwar haben die Städte, Stand heute, noch keine direkten CO2-Strafen zu befürchten. Perspektivisch müssen sie als Hauptverursacher von Treibhausgasen aber mit staatlichen Eingriffen rechnen, schließlich müssen die EU und die Bundesrepublik Klimaziele erreichen und haben dazu bereits strengere Vorgaben für die Automobilwirtschaft, die Industrie und die Kapitalmärkte erlassen.
Lösungskonzepte für eine klimaschonende Städtelogistik gibt es längst. Am effektivsten ist aus Sicht der Arcadis-Experten eine urbane Logistik, die von einer eigens gegründeten städtischen Logistikgesellschaft gesteuert wird. „Die Paketdienste liefern die Waren nur noch an zentrale Abholungsstationen an den Stadtgrenzen. Von dort werden sie über ein City-Logistik-Netz, bestehend aus öffentlichem Personennahverkehr, E-Fahrzeugen und Lastenrädern, weiterverteilt“, erklärt Gordon Mauer, Logistikexperte bei Arcadis, der das Modell weiterentwickelt hat.
Finanziert werden kann die städtische Logistikgesellschaft durch teilhabende Unternehmen – am besten den Paketdiensten selbst, um bestmöglich Synergien zu heben und eine gute Koordination an Schnittstellen sicherzustellen. „Für die Paketdienste mögen die Verbannung aus der Stadt sowie die ,Zwangsteilhabe‘ an der städtischen Gesellschaft ein harter Eingriff sein“, gibt Mauer zu. „Doch auch sie profitieren davon, wenn geplante Investitionen für nachhaltigere und punktgenauere Lieferungen auf mehrere Schultern verteilt werden.“
Erste Ansätze zur Konsolidierung der Paketfluten gibt es in einigen Städten. So sammelt die Logistikgesellschaft Incharge in Düsseldorf Warenströme der verschiedenen Paketdienstleister an einem zentralen Lager im Gewerbegebiet Düsseldorf-Hafen und transportiert sie, bestmöglich konsolidiert, auf der sogenannten letzten Meile in der City aus. In Stuttgart sind zentrale Anlieferungshubs im neu entwickelten Rosensteinviertel geplant, die in Randzeiten von den Logistikdienstleistern angefahren werden sollen. Die Stadt Köln erprobte eine „geräuscharme Logistik“ mit Elektrofahrzeugen in den Abendstunden.
Aus Sicht von Arcadis müssen die Verantwortlichen aber noch einen Schritt weiter gehen. „Auf freiwillige Kooperation zu setzen wird nicht funktionieren. Die Städte müssen jetzt konsequent handeln und ein Logistikkonzept entwickeln, das den Paketdienstdschungel möglichst schon ab 2022 aus den Innenstädten verbannt“, so Mauer.
Mit den besten Grüßen aus München – und passen Sie auf sich auf!
Florian Peter
flop@flop-pm.de