Umsatzsteuer: Aufschub für Kommunen
Die grundlegenden Änderungen des EU-weit harmonisierten Umsatzsteuerrechts beschäftigen auch Kommunen und Gemeinden, Landkreise, öffentliche Einrichtungen, Schulen und Universitäten sowie Kirchengemeinden. Kurz: alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR). Waren diese bisher in den meisten Fällen von der Umsatzsteuerpflicht befreit, so sollte sich dies mit dem Ablauf des Jahres 2020 ändern: Ab dem 1. Januar 2021 sollten jPöR ihre Leistungen nach den gleichen Grundsätzen erbringen wie andere Marktteilnehmer und damit einer Besteuerung unterliegen. Kurz: Die Unternehmereigenschaft laut Umsatzsteuergesetz (UStG) gilt dann auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, wonach Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt, die nachhaltig der Erzielung von Einnahmen dient.
Das Corona-Steuerhilfegesetz kommt nun vor allem denjenigen kommunalen Einrichtungen zu Hilfe, die es bisher versäumt hatten, betroffene Sachverhalte entsprechend aufzuarbeiten. „Eine „Gnadenfrist“ bis zum 31. Dezember 2022 ist beschlossen – ein Aufschub, den viele jPöR gut brauchen können und vor allem zielgerichtet nutzen sollten“, rät Steuerassistentin Samira Jörka von der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft HLB Hussmann aus Nürnberg.
Federführend hatten sich im vergangenen Jahr die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen bereits für eine Verlängerung der Übergangsfrist eingesetzt. Doch: „Die Zeit ist schneller um, als man denkt. Kommunen, Kirchen, Landkreise und andere Betroffene sollten also – sofern noch nicht geschehen – die zusätzliche Zeit nutzen und alle Sachverhalte eingehend beurteilen, aufbereiten und damit zusammenhängende rechtliche und organisatorische Maßnahmen umsetzen“, so Jörka. Denn obwohl sich die meisten jPöR bereits in der Schlussphase dieser Aufgabe befänden, gäbe es in der Praxis doch viele Anwendungsprobleme, konstatiert sie.
Wettbewerbsverzerrungen liegen nicht vor, wenn gleichartige Umsätze auf öffentlich-rechtlicher Grundlage voraussichtlich 17.500 Euro pro Jahr nicht übersteigen. Viele sind nun zum einen unsicher bei der Frage nach der Gleichartigkeit, zum anderen führt die häufig dezentrale Organisation von jPöR dazu, dass kaum die Möglichkeit zur Feststellung besteht, welche verschiedenen Stellen/Behörden/etc. gleichartige Tätigkeiten erbringen. So können die 17.500 Euro ohne Kenntnis der jPöR schnell überstiegen werden.
„Da bisher die meisten jPöR, außer gegebenenfalls im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art, noch keine umsatzsteuerlichen Berührungspunkte hatten, gibt es für viele sehr spezielle Sachverhalte – vor allem für Leistungen, die bisher hoheitlich und somit automatisch nicht umsatzsteuerbar waren – keine gefestigte Meinung zur umsatzsteuerlich korrekten Behandlung“, so Jörka. Es lägen keine Kommentarmeinungen, keine Aussagen der Behörden vor, die den Betroffenen eine Richtlinie bieten könnten. So sind beispielsweise Kirchen nun darin gefordert, diverse Leistungen ihrerseits umsatzsteuerlich einzuschätzen, die bisher keine umsatzsteuerliche Relevanz hatten und für die es noch keine umsatzsteuerliche Einschätzung gibt. Dies kann die Ausgabe von Pfarrbriefen und Sterbebildern sein oder der Verkauf von Kirchenführern.
Erbringen interkommunale Rechenzentren Leistungen, die in gleicher Form im Wettbewerb auch von privaten Dritten erbracht werden können, würde die Nichtbesteuerung dieser Leistungen zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Daher ist hier von einer steuerpflichtigen Unternehmereigenschaft auszugehen. Bei Leistungen einer Kommune an deren Rats- oder Kreistagsfraktionen handelt es sich um nichtsteuerbare Innenumsätze.
Grundsätzlich aber zählt nach Inkrafttreten der Neuregelung nun bei der Erbringung von Leistungen nicht mehr, wer diese erbringt, sondern um welche Art der Leistung es sich handelt. Das heißt, es gelten die allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuerrechts: Handelt es sich um eine steuerbare und zusätzlich nicht um eine nach Paragraf 4 UStG steuerbefreite Leistung, unterliegt die Leistungserbringung der Umsatzsteuer.
Mit den besten Grüßen aus München – und passen Sie auf sich auf!
Florian Peter
flop@flop-pm.de