Leistungsstarke Infrastruktur und attraktives Lebensumfeld trotz steigender Bevölkerungszahlen. Schonender Umgang mit Ressourcen trotz höheren Bedarfs. Diese zentralen Aspekte verdeutlichen, vor welche Herausforderungen Kommunen heute gestellt sind. Hinzu kommt, dass in Ländern wie Deutschland die großen Ballungsräume in einen immer härteren Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte treten müssen. Das große Ganze der Stadtplanung ist also hinreichend komplex, die smarte Reinigung nur ein kleiner Puzzlestein im Gesamtkonzept. Doch für Lebensqualität und Gesundheit der Bevölkerung steckt hinter den an sich unspektakulären Reinigungsarbeiten ein ganz wesentlicher Beitrag.
Modernes Flotten- und Kapazitätsmanagement für optimale Auslastung
Von Smart Data über Drohnen-Unterstützung bis hin zu Schwarm-Robotik, von Sharing-Anlagen über Pay per use bis hin zum klugen Management des Stoffstroms: Gemeinsam mit Dr. Alexander Rieck vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation und Dieter Lindauer vom Bundesverband Smart City beleuchten Kärcher-Experten, wie weit die Technik heute bereits ist, wie das Großreinemachen in den Städten der Zukunft aussehen könnte – und warum kluges Recycling auch im Straßenkehricht wahre Schätze zum Vorschein bringen kann.
Die intelligente Erfassung und Verbindung von Informationen bietet unzählige Chancen, Prozesse zu verbessern und nachhaltiger zu wirtschaften. Ein Beispiel aus der Landwirtschaft zeigt, dass gezielt erfasste Daten bereits heute dazu beitragen, mit dem Rohstoff Wasser oder mit Düngemitteln bestmöglich umzugehen: Agrardrohnen sind dazu in der Lage, den Zustand der Äcker via Infrarotlichtaufnahmen zu erfassen, und übertragen den Versorgungsbedarf an halbautonome Traktoren. Diese bereiten das benötigte Gemisch aus Wasser und Zusatzstoffen auf, mit dem der Landwirt seinen Acker dann bedarfsgerecht versorgt. Auf ähnliche Weise optimierbar sind die Bereiche Wartung und Gerätemanagement für Dienstleister mit großen Geräteparks. Dr. Karl Engelbert Wenzel, zuständig für die Vorentwicklung intelligenter Systeme bei Kärcher, erklärt: „Mit Kärcher Fleet und Kärcher Manage bieten wir ein modernes Flotten- und Kapazitätsmanagement, über das unsere Kunden in Echtzeit jederzeit sehen, welche Maschinen und Mitarbeiter wo aktiv sind, wie sich die Auslastung verbessern lässt und wann Wartungsbedarf besteht.“
Vernetzte Städte und mehr Automatisierung
Diese Möglichkeiten zeigen auf, dass der Sprung zu einer bedarfsgerechten Reinigung im großen Maßstab nicht mehr weit ist. Warum dafür Infrastruktur wie die Straßenbeleuchtung eine große Rolle spielen wird, erläutert Dieter Lindauer, Vorstand Bundesverband Smart City und Betriebsleiter bei den Stadtwerken Rodgau: „Ein großer IT-Spezialist hat der Stadt New York angeboten, die Straßenbeleuchtung kostenfrei zu erneuern. Dahinter steckt die Möglichkeit, die Masten mit Funktionen wie Feinstaubmessung, Frequenzmessung oder Park & Charge auszustatten und diese anderen Dienstleistern zur Verfügung zu stellen.“ Andere Dienstleister können Stadtreiniger sein, die in Echtzeit erkennen, an welchen öffentlichen Plätzen viel Publikumsverkehr und damit erhöhter Reinigungsbedarf besteht, und wo eine Grundreinigung ausreicht. Philipp Kipf, Produktmanager Digitale Lösungen bei Kärcher, ergänzt dazu: „Wenn an einer Imbissbude um 12 Uhr 300 Leute Currywurst essen, dort aber nur zwei Mülleimer stehen, wird es danach vermutlich Reinigungsbedarf geben. Also steuere ich genau dort mein Reinigungsfahrzeug hin.“ In Kombination mit einer zunehmenden Automatisierung könnte die Vernetzung in Zukunft noch deutlich umfassendere Szenarien bringen.
Eine stärkere Automatisierung von Reinigungsaufgaben im öffentlichen Raum hängt sehr stark davon ab, ob die technischen Entwicklungen im Bereich Robotik eine Interaktion mit Menschen ermöglichen. Zumal die Automatisierung kein Selbstzweck ist, sondern Gebäudereinigern die Bewältigung ihrer Aufgaben in idealer Weise erleichtern soll. Marco Cardinale, Leiter Produktmanagement Floor Care bei Kärcher, benennt den Bedarf: „Zum einen sehen unsere Kunden einen steigenden Kostendruck, wobei die Lohnkosten zirka 80 Prozent ihrer Ausgaben ausmachen, zum anderen die Tatsache, dass Arbeitskräfte immer schwerer zu finden sind und anderweitig noch produktiver genutzt werden können. Hinzu kommt, unter anderem aufgrund der hohen Fluktuation, der Aufwand für Personalbeschaffung und -einarbeitung. Unsere Aufgabe ist es, sie bestmöglich zu unterstützen, sodass sie die Gesamtkosten der Reinigung reduzieren können.“ Am Markt sind bereits Reinigungsroboter für Scheuersaugen erhältlich. Allerdings sind diese gegenüber vergleichbaren Scheuersaugmaschinen um den Faktor 4 teurer und agieren nicht vollständig autonom, sicher und zuverlässig. Somit sind diese Lösungen bisher nur auf großen, unverstellten Flächen ohne Publikumsverkehr wirtschaftlich nutzbar. „100 Prozent Funktionalität und Sicherheit sind für uns wesentlich, was autonome Reinigungsroboter angeht“, so Cardinale. „Die Sensorik muss eine Umgebungswahrnehmung gewährleisten, die kollisionsfreies Agieren auch bei unerwarteten Ereignissen – beispielsweise ein umfallendes Regal oder ein Mensch, der im Weg steht – garantiert.“ Ist dieser Schritt getan, werden aus Cardinales Sicht vielfältige Einsatzszenarien eröffnet, auch für verstellte Flächen und bei Publikumsverkehr.
Daten, Drohnen und Schwarm-Robotik
Diese Überlegungen zeigen auf, dass die Automatisierung im Bereich der Stadt- und Infrastrukturreinigung keine reine Zukunftsmusik ist. Dass dabei den Visionen keine Grenzen gesetzt sind, zeigt Dr. Alexander Rieck vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation: „Um Sauberkeit in Großstädten künftig zu gewährleisten, sind kleine, effektive Maschinen am sinnvollsten, die verschiedene Tätigkeiten verrichten können und selbstlernend autonom agieren.“ Beispielsweise gibt es Ansätze, bei denen in Gebäuden von einer Basisstation ausgehend Mini-Drohnen mit kleinen Mengen Reinigungsmitteln starten, ausschwärmen, reinigen und den Vorgang wiederholen, bis alles sauber ist. Für Dr. Rieck geht die Vision noch weiter: „Wichtig ist, einzelne Prozessschritte auf kleinster Ebene miteinander zu vernetzen, um begrenzte Ressourcen viel besser zu nutzen. Am Beispiel einer Verkehrsinsel erklärt: Sie kann von einem Roboter, gewissermaßen einer automatischen „Ziege“, gemäht werden; unsere Ziege kann die Biomasse nutzen, um Energie zu erzeugen, gleichzeitig kann sie den Feinstaub einsaugen oder, wenn wir in die Zukunft denken, vielleicht sogar nutzbar machen.“
Blickt man von heute zurück in die 90er- Jahre, als Kärcher mit einem Pilotversucht am Flughafen in Amsterdam bereits einen Reinigungsroboter einsetzte, wird deutlich, in welchem Tempo die technologische Entwicklung voranschreitet. Wie schnell eine Welt mit autonom agierenden Robotern und Drohnen wohl möglich sein wird? Dazu Dr. Rieck: „Es gibt ein Sprichwort, das mir sehr gefällt: Wir überschätzen, was wir in den nächsten zwei Jahren erreichen können, und wir unterschätzen, was wir in den nächsten zehn Jahren erreichen werden. Kamerawahrnehmung, autonomes Fahren, Speichertechnologie, Batterietechnik, Sensorik, Smart Data – diese parallelen Entwicklungen sorgen für Synergien, die uns generell große Sprünge erlauben werden.“
Sharing von Reinungstechnik
Die neuen Technologien nehmen nicht nur Einfluss auf die Art und Weise, wie gereinigt wird, sondern auch auf die Prozesse selbst. Denn über die Vernetzung und Echtzeit-Erfassung via Apps und Smart Devices stehen die Türen offen für ganz neue Geschäftsmodelle. Philipp Kipf dazu: „Es ist denkbar, dass Gebäudedienstleister nicht mehr Reinigungsmaschinen kaufen, sondern die Reinigungsleistung einer Maschine für 5000 Quadratmeter gefliester Fläche buchen. Solche Pay-per-use-Konzepte werden kommen, und da gilt es für alle Unternehmen am Markt, Chancen wahrzunehmen und attraktive Lösungen zu entwickeln.“
Das Thema Sharing wiederum ist bekannt von Plattformen wie Uber, also der Online-Vermittlung von privat wie gewerblich angebotenen Fahrdienstleistungen, oder Airbnb, der privaten Untervermietung von Wohnraum an Reisende während des eigenen Urlaubs oder Auslandsaufenthalts. Auch wenn teilweise heftige Diskussionen darüber geführt werden, wie eine faire Vergütung aussieht und wo Grenzen zu gewerblichen Ansätzen bestehen müssen, steckt im Kern darin die gemeinsame, also effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. Dies lässt sich in sinnvoller Weise durchaus auf den professionellen Bereich übertragen. In diesem Fall könnte über Sensoren ein Bedarf erfasst werden, wie zum Beispiel der Verschmutzungsgrad einer Straße. Dieser wird anschließend von (teil-)autonom agierenden Reinigungsmaschinen aus kommunal genutzten Sharing-Anlagen bedient. Der Vorteil in diesem Fall: Die benötigte Reinigungstechnik wird, wo es möglich ist, geteilt und nicht mehrfach angeschafft, gewartet und bedient.
Nachhaltigkeit als großes Thema der Zukunft schließt den Kreis von der Vermeidung von Schmutz über die bedarfsgerechte Reinigung hin zur möglichst umfassenden Verwertung – auch von Straßenkehricht. Dieter Lindauer sieht hier eindeutig Potenzial, das über die heutigen Möglichkeiten hinausgeht: „Das Thema Stoffstrom ist hochspannend, also die Frage, was mache ich mit dem gesammelten Kehricht? Wo lohnt es sich, die Stoffe zu trennen und zu recyceln? Das ist natürlich kritisch zu prüfen, aber es werden kontinuierlich neue Methoden zur Abfallverwertung entwickelt.“ 2015 hat ein britisches Unternehmen einen interessanten Ansatz entdeckt: In einer Pilotanlage wird der Straßendreck gefiltert, um seltene Metalle wie Palladium, Rhodium oder Platin zu gewinnen. Laut eigenen Angaben sind das 5 Kilogramm pro 50.000 Tonnen Kehricht – ein lohnendes Modell, wenn die Preise für diese seltenen Rohstoffe weiter steigen. Derart innovative Ideen zeigen auf, wie smart die Zukunft sein kann und welches Potenzial in sämtlichen aktuellen Entwicklungen steckt.
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