Das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) befasst sich mit „neuen Urbanisierungsprozessen“. Dabei werden ökonomische, soziale und bauliche Prozesse untersucht und vergleichend betrachtet, um stattfindende Veränderungen besser zu verstehen. In diesem Zusammenhang steht die Erprobung und Anwendung neuer Darstellungs- und Visualisierungsmethoden. In Kooperation mit dem Worldmapper-Projekt an der University of Oxford haben Benjamin Hennig und Stefan Kaup dazu anamorphe kartografische Darstellungsmethoden zu sogenannten Rasterkartogrammen weiterentwickelt.
Komplexe Zusammenhänge werden veranschaulicht
Bei dieser Methode wird kleinräumig jede räumliche Rasterzelle proportional zu der in diesem Gebiet lebenden Bevölkerung vergrößert beziehungsweise verkleinert. So lassen sich zusätzliche Informationen, wie beispielsweise soziodemografische Daten in ihrem konkreten räumlichen Bezug darstellen. Dynamische Veränderungen wie die Entwicklung der Bevölkerung lassen sich so regional und lokal verorten sowie quantitativ in Beziehung setzen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Karten werden räumliche Trends somit quasi wie unter einer Lupe sichtbar: besonders bevölkerungsreiche städtische Verdichtungsräume (wie Berlin, München, Frankfurt/ Main, aber auch Münster, Freiburg, Leipzig und Dresden) werden proportional größer dargestellt, während dünn besiedelte Regionen aufgrund ihrer geringeren Bevölkerungszahl entsprechend reduziert dargestellt werden. Schrumpfung- und Wachstumsprozesse lassen sich zudem in ihren Dimensionen leichter verstehen, wenn die Größe der betrachteten Regionen nach dem absoluten Ausmaß der Veränderung vergrößert beziehungsweise verkleinert wird, wie dies im Kartenmaterial neben der bevölkerungsproportionalen Darstellung veranschaulicht wird.
Städte wachsen auch Umland
Betrachtet man die durchschnittliche jährliche Veränderung der Bevölkerungszahl in ausgewählten deutschen Stadtregionen auf diese Weise, zeigen sich die regionalen Differenzierungen dieser Entwicklungstrends. Die allgemeine Schrumpfungsprognose relativierend, lässt sich in 26 von 30 Regionen ein durchschnittlicher Anstieg der Einwohnerzahlen erkennen. In 25 dieser Räume konzentriert sich dieses Wachstum stärker auf den stadtregionalen Kern als auf das Umland. Besonders bevölkerungsreiche Regionen wie Berlin, München, Hamburg und Frankfurt/Main wachsen aber sowohl im Kern, als auch im Umland.
Bemerkenswert sind die Entwicklungen vergleichsweise kleiner Städte wie Freiburg oder Münster beziehungsweise einiger ostdeutscher Städte wie Dresden oder Leipzig. Während die Kernstädte dieser Regionen die höchsten Wachstumsraten verzeichnen, fällt die Bevölkerungsentwicklung des Umlands hier besonders zurück. Das reicht von Stagnation in den Freiburger und Leipziger Umlandgemeinden bis hin zu Schrumpfung im Münsteraner und Dresdener Einzugsgebiet. Deutlich hebt sich zudem die Entwicklung in den städtischen Agglomerationen des Ruhrgebiets ab. Während die Bevölkerungszahlen in den Kernen von Essen und Dortmund zwischen 2008 und 2013 stagnierten, schrumpfte das sie umgebende städtische Umland in diesem Zeitraum bereits beträchtlich.
Einige Faktoren, die Wachstum und Schrumpfung beeinflussen, sind in der Entwicklung des sozialen Gefüges, der Beschäftigtenzahlen, der Flächenentwicklung sowie dem Angebot und der Nachfrage an Wohn- und Gewerberaum zu suchen. Alle hier genannten Faktoren üben wechselseitig Einfluss aufeinander aus. Um Ursachen regional unterschiedlich ablaufender Entwicklungstrends aufzudecken, ist eine detaillierte Betrachtung jedes einzelnen Faktors sowie der Verschränkung der Einflüsse untereinander notwendig. Die hier vorgestellte Methode leistet dazu einen innovativen und illustrativen Beitrag.
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