Mehr Radverkehr für die Mobilitätswende
Die Transformation kommunaler Verkehrssysteme ist überfällig. Das sagen Anne Klein-Hitpaß und Thomas Stein vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Denn zwischen den Anforderungen von Klimaschutz und Klimaanpassung und dem Wunsch der Menschen nach lebenswerten Städten stehen die Kommunen vor der großen Herausforderung, ihre Ziele und Strategien für eine Verkehrswende schneller umsetzen zu müssen. Der oft berechtigte Ruf vieler Kommunen nach mehr Geld und Personal greift an dieser Stelle jedoch zu kurz. Um Veränderungen zu beschleunigen, braucht es vor allem agilere Abläufe und schlankere Strukturen in den kommunalen Verwaltungen. Sie sind die zentralen Orte der Veränderung, der „Maschinenraum“ der Verkehrswende.
Das Deutsche Institut für Urbanistik untersucht derzeit in einem Forschungsprojekt, was genau die Umsetzung der Radverkehrspolitik hemmt. Zum einen sind da schwierige übergeordnete Rahmenbedingungen wie veraltete Gesetze, Regelwerke und Richtlinien. Sie erschweren es Kommunen, die Verkehrswende zu gestalten. Zum anderen gibt es Hemmnisse, die in den Städten und Gemeinden selbst liegen – bei Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft. Der Fokus des Projekts liegt auf den Verwaltungsstrukturen, denn starre Verwaltungsstrukturen stehen dem Erfordernis einer schnellen Umsetzung von Radverkehrs- maßnahmen gegenüber. Für mehr Tempo müssen sich Kommunalverwaltungen neu aufstellen. Dies kann durch agile Vorgehensweisen, schlanke Strukturen und eine neue Verwaltungskultur gelingen.
Optimierungspotenzial liegt auch in einer verbesserten Zusammenarbeit, beispielsweise durch eine enge Verknüpfung von planender und anordnender Behörde, wenn zum Beispiel klassische Verkehrs- und Tiefbauämter zu Mobilitätsämtern umgestaltet werden, wie dies beispielsweise in Darmstadt oder Rostock der Fall ist. Die Einrichtung einer Stabsstelle mit klarer Koordinations- und Entscheidungskompetenz ist eine weitere Möglichkeit. Grundsätzlich wichtig: die Anzahl der Schnittstellen so gering wie möglich halten.
Im Rahmen des Projekts zeigt sich: Diese Veränderungen müssen „Chefsache“ sein und sich zugleich durch alle Hierarchieebenen ziehen. Die Verwaltungsleitung sollte klare und begründete Entscheidungen treffen, wenn fachliche Konflikte zwischen tradierter Kfz-orientierter Planung und den gewünschten neuen Planungsprioritäten bestehen. Der Bedeutungsgewinn für den Radverkehr geht in vielen „Radentscheid-Städten“ mit mehr Personal einher. Dabei sind gute On-boarding-Prozesse, Wissensmanagement und Weiterbildungsangebote zentral. Denn mit neuem Personal treffen neue Ideen und Arbeitsweisen auf langjährige Routinen. Hier gilt es, verwaltungsintern das Beste „aus beiden Welten“ zu verknüpfen.
Dafür braucht die Verwaltung Unterstützung von der Kommunalpolitik. Diese muss verlässlich und mutig sein, beschlossene Strategien und Maßnahmen mit angemessenen finanziellen und personellen Ressourcen zu hinterlegen. Kommt es bei der Umsetzung dann zu Gegenwind und Widerspruch, ist es wichtig, getroffene Entscheidungen selbstbewusst zu vertreten und an den demokratisch vereinbarten Prioritäten, Zielen und Maßnahmen auch im Konfliktfall festzuhalten.
Kurzum: Eine mutige Politik, die der Verwaltung den Rücken stärkt, eine handlungsfreudige agile Verwaltung, eine kritische und zugleich kooperative Zivilgesellschaft, die mitzieht – so könnte ein erfolgreicher Verkehrswende-Dreischritt aussehen, der beim Umsetzen Tempo macht. Auch für mich ist das das einzig sinnvolle Vorgehen.
Mit den besten Grüßen aus München – und passen Sie auf sich auf!
Florian Peter